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Wie wehre ich erfolgreich junge Kunden ab

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Kurz nach dem letzten Bericht schon wieder einer? Ist denn schon wieder was passiert. Ja und diesmal etwas, zu dem ich nicht einfach schweigend zur Tagesordnung übergehen kann und will. Trotzdem habe ich in guter japanischer Tradition „Nemawashi“ geübt, das alles noch mal überdacht, mit anderen abgewogen, bevor man sein Urteil fällt und bekannt gibt. Aber kommen wir zum Anlass:

Jeder Fernseher braucht Unterstützung beim Ton.

Meine Tochter ist nach Ihren langen Aufenthalten in den USA und als Musikerin mit besonders guten Ohren nicht mehr zufrieden mit den vorhandenen TV Lautsprechern. Also wird der Papa eingeladen ihr bei der Auswahl einer Soundbar zu helfen. Etwas schwieriger wird die Sache durch das – für MusikerInnen in Zeiten von Covid-19 – doch eher begrenzte Budget.
Nach einiger Online Recherche über das Angebot beim Fachhandel beschliessen wir uns gleich in der Welt der Heimkinos zu treffen. Dies vor allem deshalb, weil dort Vorführräume gigantischer Ausmaße vorhanden sind und zwei interessante Modelle auch auf Lager sein sollten.

Unpackbar !

Freitag 10 h, kurz vor dem zweiten Lockdown schon etwas Betrieb, nach Vertröstung durch einen netten Herren kommt „der Verkäufer“ auf uns zu. Mittleren Alters und offenbar schon länger im Geschäft. „Wir hätten gerne eine Soundbar um ca 300 – 400 Euro“. Ich gestehe daß mich seine Antwort doch sehr überrascht hat: „Des is a Sch…dreck“. Schluck! So schnell lassen wir uns aber nicht abwimmeln , und daher die Replik : “Aha, wie denn das , sie haben doch z.B. eine Polk Soundbar um 329.- sogar auf Lager“. „Do muas I nochschaun“ ist seine durchaus nachvollziehbare Bemerkung dazu. Nach einigen Minuten durchwühlen der eigenen Website – Soundbars kommen überraschenderweise im Sortiment als Kategorie nicht vor – wird er fündig. „ Jawohl, die ist da“ . „Fein, dann würden wir die jetzt gerne hören“. „Des geht net, in der Preislage ist nur Online vorgesehen, aber sie können sie kaufen und mitnehmen“. Oida!

Grundsätzliches zum Thema Online vs. Fachhandel

Gerade das HiFi / AV Business ist ja prädestiniert für den guten Fachhandel. Wer möchte schon die Katze im Sack kaufen. Wenn Amazon etwas NICHT bieten kann, dann ist das Probehören. Dass es bei 300€ Umsatz kein stundenlanges Gespräch geben kann, versteht jeder mit etwas gutem Willen. Mit einfachen Bluetooth Verbindungen wäre „Selbstbedienung“ auch nicht so schwer. Vorausgesetzt man dreht bei ALLEN aktiven Fernsehern, Lautsprechern , Kühlschränken und was auch immer so herumsteht Bluetooth ab, damit man beim Suchen des Gerätes nicht 300 Einträge durchwühlen müsste. Playlist am Handy ist gerade bei jungem Publikum ja selbstverständlich vorhanden. Könnte man alles machen , und damit Leute ins Geschäft locken, die später wichtige Kunden im gehobeneren Segment werden könnten. Wer z.B. für Autofelgen oder Auspuffrohre hunderte Euros hinblättert, könnte auch mal in andere Bereiche investieren wollen, HipHop wäre da ja geradezu ein roter Teppich .

Letzte „Weisheiten“

Aber kommen wir zurück zum „Verkaufsgespräch“. Der Herr „Verkäufer“ lässt uns nämlich noch an seiner Weisheit teilnehmen. „In der Preisklasse klingen die Soundbars ned besser als der Fernseher , des mocht überhaupt kan’ Sinn“. Des billigste wos I empfehlen kann ist die Bluesound, die kostet an Tausender“. Dass die Bluesound Soundbar sehr gut klingt ist absolut richtig, der Rest allerdings sowohl eine Frechheit als auch absoluter Unsinn.

Eine Frechheit deswegen, weil der Vorschlag 1000.- Euro auszugeben an jemand der nur 300.- zur Verfügung hat als herabwürdigend empfunden werden muss. Und absoluter Unsinn ist, dass eine gute Soundbar in der Gegend von 300 Euronen nicht besser klingt als ALLE Fernseher unterhalb der 3000.- Grenze. Sogar eine 200 € Bose Soundbar klingt 5 mal so gut als ein zumeist wegen der Flachbauweise extrem limitierter Einbaulautsprecher. POLK, eine amerikanische Firma die seit Jahrzehnten Studio- und HiFi-Lautsprecher baut, schafft es sogar mit dem Magnify Mini System den meisten HiFi-Kompaktanlagen zu zeigen wo der Bartl den HiFi-Most bezieht. Klar dass viele LG oder Samsung Bars nicht wirklich gut klingen, aber dazu hätte man ja den Fachhändler, der eine Vorauswahl treffen sollte. Uns hat es jedenfalls gereicht , und wir haben diese Welt kopfschüttelnd und kauflos verlassen .

Im Markt muss man sich aber auskennen, oder Glück haben.

Unser Weg hat dann doch zum Mediamarkt geführt, weil wir ja schon in der Nähe der SCS waren. Dort verwirren zwar auch sehr viele klanglich unbrauchbare Geräte den Kunden und offenbar soll Menge des Angebotes Qualität ersetzen. Trotzdem ist es uns gelungen mit Hilfe eines freundlichen, gut ausgebildeten jungen Mannes eine in der Preislage toll klingende Soundbar zu erstehen.
Warum ich diesen Bericht hier überhaupt geschrieben habe, hat im wesentlichen zwei Gründe. Mir geht die Arroganz einiger HiFi-Läden auf den Geist, die Einsteigern mit begrenztem Budget die Lust nehmen sich neu mit etwas besserer AV/HiFi zu beschäftigen. Wohltuende Beispiele wie z.B. Die „Raum-Akustik“ in der Wiener Lerchenfelderstrasse, wo schon immer Pakete für Einsteiger geschnürt wurden, sind nur die Regel bestätigende Ausnahmen. Und mir geht auch die Einstellung auf die Nerven, sich nicht mit zeitgemässer Präsentation auseinander zu setzen. Wer hindert die Mediamarkt Verkäufer die ganze Bluetooth-Wolke abzustellen. Wer hindert daran, in 2 Minuten dem Kunden den Unterschied vorzuführen zwischen „Möchtegern Plastikbomber“ und klarer deutlicher Wiedergabe auch bei dichterem Material? Ich hab das schon so oft gemacht und ALLE die vorher meinten keinen Unterschied zu hören, waren überzeugt von Qualität und Kompetenz einschlägiger Hersteller. Dass Bluesound, Canton, KEF, oder meinetwegen für Unterhaltungsmusik sogar BOSE guten Klang erzeugen kann, ist leicht zu hören, das Gegenteil bei vielen Koreanern, Chinesen und anderen NoNames auch. Obwohl man bei Chinesen schön langsam umdenken muss, da SMSL , Topping, Zorloo und andere schon sehr interessante DACs machen.

Last but not least …

Damit niemand glaubt ich hätte vergessen drauf: Natürlich haben auch die Hersteller ihren Anteil am schwindenden Qualitätslevel im Fachhandel. Wenn B&W, eine der rennomiertesten HiFi Marken – glaubt, ihre Klangqualität auf Facebook-Videos demonstrieren zu müssen , raste ich aus. Wen fast alle Hersteller günstiger DACs NUR mehr über Amazon oder Direktvertrieb arbeiten, ebenso. Und dass Fachhandelsketten schon lange nur mehr in Sachen Kaffeemaschinen und Staubsauger wert sind besucht zu werden habe ich schon mehrmals erwähnt.


Ich weiß dass mein Blog von Kunden UND Händlern gelesen wird , daher lade ich gerne zu einer gemeinsamen Diskussion ein. Nur Beiträge die gegen gesetzliche Auflagen (Rassismus, Sexismus etc.) verstoßen, werden abgelehnt. Das Buffet ist eröffnet.

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  1. Lieber Reinhard!
    Etwas ähnliches ist mir kürzlich auch passiert. Ich fragte einen Händler bei mir in Graz, ob er vielleicht weiß, warum die MIT Terminator 6 Lautsprecherkabel bei mir nicht so klingen, wie sie klingen sollen. Ich habe meine Audio Komponenten aufgelistet und natürlich auch, falls durch sein Fachwissen das Problem gelöst werden kann, mich finanziell erkenntlich zu zeigen. Seine Antwort kam per Email wie folgt:“Investieren sie in bessere Lautsprecher und geben sie die Kabel zurück!“
    Soviel also zum Thema „HIFI Beratung“. Es geht also nur um Cash und hochpreisige Geräte, denn durch die Anschaffung besserer Lautsprecher, wird sich das Problem nicht lösen. Wobei, der besagte Händler ist mir in Vergangenheit schon mit sein unseriösen Geschäftspraktiken negativ aufgefallen. Was du und deine Tochter erlebt habt, ist leider wieder einmal der Beweis dafür, wie viele schwarze Schafe und Schwätzer, die nur abcashen wollen, es leider in dieser Branche noch immer gibt. Wünsche deiner Tochter viel Spass mit ihrer Soundbar und vielen Dank für deinen Bericht!

    1. Ohne zu wissen welche Lautsprecher und welcher Verstärker am Werk ist , kann man die Aussage nicht kommentieren, und selbst dann müsste man probieren warum der Händler das gesagt hat.

      1. Doch, ich habe Lautsprecher und Verstärker namentlich bekannt gegeben.

  2. Lieber Reinhard,
    mit deiner Schilderung triffst du den Nagel (wieder einmal) auf den Kopf.
    Als Kunde hat man es ohnehin schon schwer genug, sich ein Bild über das Angebot zu machen. Selbst ein Besuch in einem ausgewiesenen „Hifi-Tempel“ bringt zumeist nur Frust:
    Man versteht sich dort zwar gut darauf, hochpreisige Ware als das allein selig machende Mittel zur Erlangung audiophiler Freuden anzubieten, aber in den wenigsten Fällen wird dem Kunden vor der Anschaffung teurer Elektronik klargemacht, dass es viel wichtiger – und vor allem lohnender ist -, zuerst die akustischen Gegebenheiten im eigenen Hörbereich zu analysieren und in die Schaffung hörfreundlicher Bedingungen zu investieren.
    Ein faszinierendes Klangerlebnis in einem optimierten Hörraum ist nicht vom Preisschild an den Lautsprechern oder dem Verstärker abhängig, sondern vom gekonnten Umgang mit akustischen Phänomenen. Über das dafür notwendige Wissen verfügen bedauerlicherweise nur wenige Händler und – wenig verwunderlich – noch weniger Kunden. Die sind zwar bereit, einen fünfstelligen Betrag für ein Boxenpaar hinzulegen, aber sie können sich in den seltensten Fällen vorstellen, auch nur die Hälfte dieser Summe in den Raumklang zu investieren (wobei es eigentlich darum geht, dem Raum seinen Klang zu nehmen).
    Fazit: Dem Händler kann man nicht wirklich vorwerfen, dass er seine Ware an den Kunden bringen will. Es ist schon immer noch der Kunde, der die (Kauf-)Entscheidung trifft. Wer vernünftig genug ist, sich für größere Anschaffungen Zeit zu lassen, der wird nach und nach auf die richtigen Informationsquellen stoßen und Fehlininvestitionen vermeiden können. Es hat halt nicht jeder einen Papa mit einem derart fundierten fachlichen Hintergrund, der einem bei der Anschaffung einer Soundbar dermaßen unterstützen kann.

    1. Vielen Dank für den Hinweis auf „den Raum“. Erst kürzlich hat die Empfehlung die Lautsprecher etwas näher an die Rückwand zu rücken einen Neukauf von Kabel erspart. Oder besser: Das Budget für die richtigen Massnahmen aufgespart. Akustikelemente können in vielen Fällen helfen.